Samstag, 9. April 2016

Bauernregeln

Frühere Generationen mussten das Wetter ohne Satellitendaten und Supercomputer einschätzen. Bauernregeln dienten als Orientierung. Viele Reime sind uns noch bekannt – aber ist auch Verlass auf sie?




Landwirte erklärten sich einst wiederkehrende Wetterphänomene, die ihre Ernte beeinflussten, mit Regeln – oft in Reimform zum besseren Merken. Heute kennen wir diese als Bauernregeln. 

"Säst du im März zu früh, ist's oft vergeb'ne Müh'." Oder: "Mai kühl und nass, füllt des Bauern Scheun' und Fass." 
Sprüche wie diese bestimmten über Jahrhunderte den Alltag der Menschen.

Anders als heute konnten die Landwirte nicht auf moderne Meteorologen zählen, die mithilfe von Wettersatelliten und Supercomputern ihre Vorhersagen treffen. Eine Herausforderung, die ihnen bei Fehlentscheidungen ganze Ernteausfälle bescheren konnte.

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"Bauernregeln spiegeln meteorologische Wahrscheinlichkeiten wider und transportieren Erfahrungswissen, das teilweise auch heute noch gilt", sagt Herbert Lohner vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

So verweist die Bauernregel "Märzen-Schnee tut den Zarten weh" darauf, dass frische Aussaaten bei einem Wintereinbruch in dieser Zeit häufig erfrieren. "Mairegen bringt Segen" wiederum deutet darauf hin, dass ausreichend Niederschlag in dieser Zeit für ein gutes Wachstum sorgt – und sorgen muss. 

"Ansonsten könnte die Ernte schlecht ausfallen", sagt Lohner. Landwirte und Gärtner sollten also in dieser Zeit für ausreichende Bewässerung von Feldern und Gärten sorgen.

Die ersten Bauernregeln sollen bereits in der Antike entstanden sein. Grundlage waren wiederkehrende Naturphänomene. "Diese Regelmäßigkeiten haben unsere Vorfahren dann in Reimform an ihre Nachkommen weitergegeben, weil man sich die Regeln so leichter merken kann als einen einfachen Satz", erläutert Michaela Basler, Kreisfachberaterin für Gartenkultur und Landespflege im Landratsamt Amberg-Sulzbach (Bayern).

Jahreszeitlich typische Großwetterlagen

Schreiben konnten die Landwirte zu dieser Zeit nicht, später wurden die Regeln in Bauernkalendern abgedruckt. Die wohl bekanntesten Bauernregeln ranken sich um die Gedenktage von Heiligen oder um sogenannte Lostage wie den Siebenschläfertag am 27. Juni. Zu den bekanntesten Heiligentagen gehören die Eisheiligen Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und Sophia vom 11. bis 15. Mai.



Sprichworte wie "Pankraz, Servaz, Bonifaz machen erst dem Sommer Platz" und "Pankrazi, Servazi und Bonifazi sind drei frostige Bazi. Und zum Schluss fehlt nie die kalte Sophie" spielen auf die Nachtfröste an, die bis eben Mitte Mai immer wieder vorkommen können. Für empfindliche Pflanzen können sie verheerende Folgen haben: "Die kalte Sophie macht alles hie", sagt eine weitere Bauernregel.
Aus meteorologischer Sicht sind diese Aussagen gar nicht so unwahrscheinlich, etwa was Höhenlagen und Täler angeht. "Dort kann sich zu dieser Jahreszeit oftmals noch Kaltluft sammeln", erklärt Gerhard Lux vom Deutschen Wetterdienst.

Trefferquote ist aus heutiger Sicht oft schlecht

Auch Phänomene wie Schafskälte, Weihnachtstauwetter oder eine beständige Witterungsperiode nach dem Siebenschläfertag kann der Meteorologe mit jahreszeitlich typischen Großwetterlagen begründen.
Darüber hinaus kann er Bauernregeln aber nicht viel abgewinnen. Zumindest nicht als Wettervorhersage für Landwirte und Gärtner. "Die Trefferquote bei den bäuerlichen Wetterregeln ist aus heutiger Sicht oft erbärmlich schlecht. Da könnte man auch würfeln", sagt Lux.
Die aus Naturbeobachtungen abgeleiteten Regeln will er aber nicht als blanken Unsinn hinstellen. "Sie sind jedoch heutzutage überholt. Die Reime und Regeln waren halt Krücken, die Landwirte im Mittelalter hatten ja nichts anderes."

 Fixpunkt für viele Bauernregeln wurde verschoben

Nicht nur die Verbesserungen der Wettervorhersagen im 20. und 21. Jahrhundert haben dafür gesorgt, dass Bauernregeln ihre Bedeutung und ihren wahren Kern eingebüßt haben. Auch eine Kalenderreform Ende des 16. Jahrhunderts hat daran ihren Anteil. Mit der Einführung des gregorianischen Kalenders verschoben sich die Gedenktage – und damit der Fixpunkt für viele Bauernregeln.





Auch der Klimawandel hat Auswirkungen, die in Deutschland längst zu spüren sind und tradierte Bauernregeln obsolet erscheinen lassen. Laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) macht sich die Erderwärmung in Deutschland stärker bemerkbar als im weltweiten Vergleich. Seit 1881 hat sich Deutschland demnach um 1,4 Grad erwärmt. International hat der Wert seitdem bei etwas unter einem Grad gelegen.
Die Mitteltemperatur der vergangenen 25 Jahre lag demnach hierzulande mit 9,2 Grad genau ein Grad über dem Wert der internationalen Referenzperiode von 1961 bis 1990. Meteorologen zufolge waren 23 dieser 25 Jahre in Deutschland zu warm.

Blüte setzt heute viel früher ein

Der Temperaturanstieg sei auf den ersten Blick nicht besonders hoch, mache aber viel aus, gibt Lux zu bedenken. Die Häufigkeit bestimmter Großwetterlagen habe sich verändert, die Vegetationsperiode sei länger als noch vor 50 Jahren.

Mai2015 (c) K. Wittmann

"Frühlingsboten und Zeigerpflanzen wie Schneeglöckchen, Forsythie und Apfel blühen inzwischen im Schnitt etwa drei Wochen früher als noch Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Erntezeiten sind daher oft entsprechend früher."

Nicht zuletzt sind viele Bauernregeln regional verwurzelt und beschreiben klimatische Gegebenheiten an bestimmten Orten: "Regeln, die im Alpenraum entstanden sind, können also für die Nordsee nicht stimmen", sagt BUND-Fachmann Lohner.

Die Eisheiligen sind hierfür ebenfalls ein gutes Beispiel: Während im Norden Mamertus als erster Eisheiliger gilt, beginnt im Süden die Rechnung erst mit Pankratius. Der Grund: Die Kaltluft aus dem Norden trifft erst einen Tag später in Süddeutschland ein.

Auf kurzfristige Naturbeobachtungen und entsprechende Ableitungen können sich Hobbygärtner aber oft verlassen. Bauernregeln wie "Entfernen sich die Bienen nicht weit von der Beute, erwarten Schlechtwetter Land und Leute", "Abendrot, schön Wetterbot" und "Morgenrot, schlecht Wetter droht" sind laut Michaela Basler durchaus zutreffend.

Und auch auf den Wetterfrosch sei Verlass – zumindest wenn er wegen der hohen Luftfeuchtigkeit sein angestammtes Revier verlässt. Von dem Spruch "Frösche auf Stegen und Wegen deuten auf baldigen Regen" ist die Kreisfachberaterin überzeugt.




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