Landwirte erklärten sich
einst wiederkehrende Wetterphänomene, die ihre Ernte beeinflussten, mit
Regeln – oft in Reimform zum besseren Merken. Heute kennen wir diese als
Bauernregeln.
"Säst du
im März zu früh, ist's oft vergeb'ne Müh'." Oder: "Mai kühl und nass,
füllt des Bauern Scheun' und Fass."
Sprüche wie diese bestimmten über
Jahrhunderte den Alltag der Menschen.
Anders
als heute konnten die Landwirte nicht auf moderne Meteorologen zählen,
die mithilfe von Wettersatelliten und Supercomputern ihre Vorhersagen
treffen. Eine Herausforderung, die ihnen bei Fehlentscheidungen ganze
Ernteausfälle bescheren konnte.
Die wirklich wahren Bauernregeln, überprüft durch moderne Meteorologie ·
Kurzfristige und langfristige Prognosen, Tiere und Pflanzen als
Wetterpropheten, Ernteregeln · Altes Bauernwissen und Wetteraberglaube.
"Bauernregeln spiegeln
meteorologische Wahrscheinlichkeiten wider und transportieren
Erfahrungswissen, das teilweise auch heute noch gilt", sagt Herbert
Lohner vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
So
verweist die Bauernregel "Märzen-Schnee tut den Zarten weh" darauf,
dass frische Aussaaten bei einem Wintereinbruch in dieser Zeit häufig
erfrieren. "Mairegen bringt Segen" wiederum deutet darauf hin, dass
ausreichend Niederschlag in dieser Zeit für ein gutes Wachstum sorgt –
und sorgen muss.
"Ansonsten
könnte die Ernte schlecht ausfallen", sagt Lohner. Landwirte und
Gärtner sollten also in dieser Zeit für ausreichende Bewässerung von
Feldern und Gärten sorgen.
Die ersten Bauernregeln
sollen bereits in der Antike entstanden sein. Grundlage waren
wiederkehrende Naturphänomene. "Diese Regelmäßigkeiten haben unsere
Vorfahren dann in Reimform an ihre Nachkommen weitergegeben, weil man
sich die Regeln so leichter merken kann als einen einfachen Satz",
erläutert Michaela Basler, Kreisfachberaterin für Gartenkultur und
Landespflege im Landratsamt Amberg-Sulzbach (Bayern).
Jahreszeitlich typische Großwetterlagen
Schreiben
konnten die Landwirte zu dieser Zeit nicht, später wurden die Regeln in
Bauernkalendern abgedruckt. Die wohl bekanntesten Bauernregeln ranken
sich um die Gedenktage von Heiligen oder um sogenannte Lostage wie den
Siebenschläfertag am 27. Juni. Zu den bekanntesten Heiligentagen gehören
die Eisheiligen Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und Sophia
vom 11. bis 15. Mai.
Sprichworte wie "Pankraz,
Servaz, Bonifaz machen erst dem Sommer Platz" und "Pankrazi, Servazi und
Bonifazi sind drei frostige Bazi. Und zum Schluss fehlt nie die kalte
Sophie" spielen auf die Nachtfröste an, die bis eben Mitte Mai immer
wieder vorkommen können. Für empfindliche Pflanzen können sie
verheerende Folgen haben: "Die kalte Sophie macht alles hie", sagt eine
weitere Bauernregel.
Aus
meteorologischer Sicht sind diese Aussagen gar nicht so
unwahrscheinlich, etwa was Höhenlagen und Täler angeht. "Dort kann sich
zu dieser Jahreszeit oftmals noch Kaltluft sammeln", erklärt Gerhard Lux
vom Deutschen Wetterdienst.
Trefferquote ist aus heutiger Sicht oft schlecht
Auch
Phänomene wie Schafskälte, Weihnachtstauwetter oder eine beständige
Witterungsperiode nach dem Siebenschläfertag kann der Meteorologe mit
jahreszeitlich typischen Großwetterlagen begründen.
Darüber
hinaus kann er Bauernregeln aber nicht viel abgewinnen. Zumindest nicht
als Wettervorhersage für Landwirte und Gärtner. "Die Trefferquote bei
den bäuerlichen Wetterregeln ist aus heutiger Sicht oft erbärmlich
schlecht. Da könnte man auch würfeln", sagt Lux.
Die
aus Naturbeobachtungen abgeleiteten Regeln will er aber nicht als
blanken Unsinn hinstellen. "Sie sind jedoch heutzutage überholt. Die
Reime und Regeln waren halt Krücken, die Landwirte im Mittelalter hatten
ja nichts anderes."
Fixpunkt für viele Bauernregeln wurde verschoben
Nicht
nur die Verbesserungen der Wettervorhersagen im 20. und 21. Jahrhundert
haben dafür gesorgt, dass Bauernregeln ihre Bedeutung und ihren wahren
Kern eingebüßt haben. Auch eine Kalenderreform Ende des 16. Jahrhunderts
hat daran ihren Anteil. Mit der Einführung des gregorianischen
Kalenders verschoben sich die Gedenktage – und damit der Fixpunkt für
viele Bauernregeln.
Auch der Klimawandel hat
Auswirkungen, die in Deutschland längst zu spüren sind und tradierte
Bauernregeln obsolet erscheinen lassen. Laut dem Deutschen Wetterdienst
(DWD) macht sich die Erderwärmung in Deutschland stärker bemerkbar als
im weltweiten Vergleich. Seit 1881 hat sich Deutschland demnach um 1,4
Grad erwärmt. International hat der Wert seitdem bei etwas unter einem
Grad gelegen.
Die
Mitteltemperatur der vergangenen 25 Jahre lag demnach hierzulande mit
9,2 Grad genau ein Grad über dem Wert der internationalen
Referenzperiode von 1961 bis 1990. Meteorologen zufolge waren 23 dieser
25 Jahre in Deutschland zu warm.
Blüte setzt heute viel früher ein
Der
Temperaturanstieg sei auf den ersten Blick nicht besonders hoch, mache
aber viel aus, gibt Lux zu bedenken. Die Häufigkeit bestimmter
Großwetterlagen habe sich verändert, die Vegetationsperiode sei länger
als noch vor 50 Jahren.
Mai2015 (c) K. Wittmann |
"Frühlingsboten und
Zeigerpflanzen wie Schneeglöckchen, Forsythie und Apfel blühen
inzwischen im Schnitt etwa drei Wochen früher als noch Mitte des 20.
Jahrhunderts. Die Erntezeiten sind daher oft entsprechend früher."
Nicht
zuletzt sind viele Bauernregeln regional verwurzelt und beschreiben
klimatische Gegebenheiten an bestimmten Orten: "Regeln, die im Alpenraum
entstanden sind, können also für die Nordsee nicht stimmen", sagt
BUND-Fachmann Lohner.
Die
Eisheiligen sind hierfür ebenfalls ein gutes Beispiel: Während im
Norden Mamertus als erster Eisheiliger gilt, beginnt im Süden die
Rechnung erst mit Pankratius. Der Grund: Die Kaltluft aus dem Norden
trifft erst einen Tag später in Süddeutschland ein.
Auf
kurzfristige Naturbeobachtungen und entsprechende Ableitungen können
sich Hobbygärtner aber oft verlassen. Bauernregeln wie "Entfernen sich
die Bienen nicht weit von der Beute, erwarten Schlechtwetter Land und
Leute", "Abendrot, schön Wetterbot" und "Morgenrot, schlecht Wetter
droht" sind laut Michaela Basler durchaus zutreffend.
Und
auch auf den Wetterfrosch sei Verlass – zumindest wenn er wegen der
hohen Luftfeuchtigkeit sein angestammtes Revier verlässt. Von dem Spruch
"Frösche auf Stegen und Wegen deuten auf baldigen Regen" ist die
Kreisfachberaterin überzeugt.
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